Jetzt sind die Erzählerinnen und Erzähler unterwegs in der Metropolregion und erzählen in Kitas und Schulen, auf Plätzen und im Erzählzelt, in Mehrgenerationenhäusern und in Deutsch-Sprachkursen. Auch auf der Bundesgartenschau in Mannheim macht die Welt der Geschichten Station.
Ein kleines Bächlein plätschert munter durch den MöglichkeitsGarten der Kirchen auf der BUGA 23, das Schattendach aus unzähligen Stoffstreifen flattert leicht im Wind. Vor dem Holzkreuz und unter dem Kirchturm bereiten sich Gudrun Rathke und André Wülfing auf die ersten Erzählrunden vor. An zwei Tagen kommen vormittags Kita-Gruppen und Schulklassen, um den Geschichten der beiden zu lauschen. Nachmittags sind die Erzählrunden offen für alle Besucher*innen.
Dazwischen zieht Gudrun Rathke mit ihrer Kiepe über das BUGA-Gelände. Sie ist randvoll gefüllt mit Sagen und Märchen, alle säuberlich gerollt und mit einem kleinen Bändchen zusammengehalten. „Ich verschenke die Geschichten“, berichtet sie. „Und wenn jemand es möchte, erzähle ich auch eine Geschichte“. Das kann am Wegesrand sein oder auf einer schattigen Bank. „Das ist völlig offen“, sagt sie und freut sich schon auf die Begegnungen mit interessierten Menschen.
Am Montag, so erzählt André Wülfing, war er mit den Erzählerinnen Nazlı Çevik und Susanne Tiggemann in der Ludwigshafener Schillerschule. „Wir haben in allen 16 Klassen der Grundschule erzählt und überall, awo wir waren, einen roten Erzählfaden dagelassen“, sagt er. Jetzt auf der BUGA wird im Freien erzählt, ohne schützende Wände. „Draußen braucht es mehr Stimme, drinnen ist die Konzentration leichter herzustellen“, weiß der erfahrene Erzählkünstler. „Aber dafür haben wir das Himmel-Licht-Luft-Erlebnis gemeinsam und das kann man einbeziehen“.
Und dann geht es los, die erste Kita-Gruppe kommt. „Habt ihr alle die Ohren dabei? Und auch die Augen?“, fragt André Wülfing die Kinder, bevor er die Geschichte von einem alten Pferd in einer alten Hütte erzählt, das sich furchtbar langweilt, bis er mit einem kleinen Vogel Freundschaft schließt. „Und sie haben miteinander gewiehert und gezwitschert“, erzählte er. Das Pferd beschließt, für seinen Freund Haferbrei zu kochen, und auf einmal kommen immer mehr Tiere aus der ganzen Welt in seine Hütte und essen zusammen vom Haferbrei.
Gudrun Rathke hatte gleich einen ganzen Beutel mit Geschichten dabei und wählte die Geschichte von der kleinen Haselmaus aus, die die ganze Nacht Haselnüsse sammelte und am Tag nicht schlafen konnte, weil die anderen Tiere so laut waren. Hier sorgte ein liebevoller Waldgeist für ihre nötige Ruhe.
Beiden gelang es, die Kinder mit ihren Geschichten zu fesseln. Sicher trugen dazu die ausgeprägte Gestik und Mimik bei, die langsame Sprache mit vielen Wiederholungen. Auch in der zweiten Erzählrunde, in der gleich an zwei Stellen im MöglichkeitsGarten erzählt wurde, waren die Kinder mit ganzem Herzen dabei. Hier ging es um traurige Entchen, eine sprechende Leiter und einen Vogel, der zur Sonne und wieder zurück geflogen ist. „Mir haben alle Geschichten gefallen“, sagten gleich mehrere Kinder am Ende.
Die Kita- und Schul-Gruppen hatten zum Teil lange Wege für den Erzählfest-Besuch auf sich genommen. So die zwei zweiten Klassen von der Goethe-Mozart-Grundschule in Oppau. „20 Minuten zu Fuß bis zur Bahn, dann 40 Minuten mit der Straßenbahn und noch einmal 20 Minuten über das BUGA-Gelände“, berichtete Lehrerin Daniela Bappert. Der weite Weg habe sich aber gelohnt. „Die Geschichten haben die Kinder gefesselt“, betont sie. Im Unterricht wird das Erlebte nun noch im Gespräch und mit Bildern nachbereitet. (ako)